Von oben tropft Taubenkot, unten toben die Ratten. Die beschmierten Wände machen auch keinen guten Eindruck und das schummrige Licht ruft jede Menge Fahrraddiebe auf den Plan. Seit Ewigkeiten gehört der Bereich rund um die Fahrradabstellanlage am S-Bahnhof Mahlsdorf zu den hässlichsten Ecken des Ortsteils. Die Polizei spricht sogar von „Problemörtlichkeit“. Jetzt soll’s dem Schandfleck aber an den Kragen gehen und Aufschieben ist keine Option, denn die 20.000 Euro aus dem Bürgerhaushalt 2022/23 müssen noch in diesem Jahr ausgegeben werden.
Als Bezirksstadträtin Juliane Witt (Linke) zum Termin am S- und Regionalbahnhof Mahlsdorf eilt, sind Mitarbeiter des Straßen- und Grünflächenamts schon angeregt dabei, mit Elisa Richter vom Lernzentrum Helliwood, einer Mitarbeiterin der Polizei und dem Chef der Kreativagentur 0815 Industries, Jan Schmidt, die Details für das Vorhaben zu besprechen. Vor etlichen Wochen schon hatte sich Witt mit einer Reihe von Akteuren, darunter damals auch Vertreter von Deutscher Bahn und BSR, zu einer mehrstündigen Begehung getroffen, um problematische Punkte in dem stark frequentierten Bereich des Ortsteilzentrums anzusprechen. Etliche E-Mail-Korrespondenzen später steht der Plan: Gemeinsam mit Kindern aus dem Bezirk werden die Graffiti-Profis von 0815 nach den Sommerferien anrücken, um die trostlose Wand unter der Brücke und – sofern es die Bahn erlaubt auch den Mittelpfeiler – in ein Kunstwerk zu verwandeln. Denn ehe die Straßenbahnhaltestelle im Zuge des Neu- und Ausbaus der Hönower Straße unter die Brücke gelegt wird und eine umfassende Renovierung erfolgt, können noch Jahre ins Land gehen. Bislang hielt das anstehende Verkehrsprojekt immer als Ausrede her, warum in dem Bereich nichts getan werde.
„Die Umgestaltung ist auf jeden Fall nötig“, sagt Jan Schmidt, der selbst in Mahlsdorf wohnt und sich mit solchen Projekten auskennt. Regelmäßig werden die Sprühdosen-Künstler von 0815 beauftragt, um im Bezirk und ganz Berlin von Vandalismus betroffene Bahnhofswände, Unterführungen, Durchgänge, große Fassaden und Freiflächen nachhaltig aufzuwerten. „Einige Kids haben schon vorgearbeitet“, berichtet Schmidt. Im Rahmen eines Ferienangebots des Lernzentrums Helliwood an der Riesaer Straße durften sie sich im digitalen Zeichnen ausprobieren. „Dabei sind teilweise richtig gute Motive entstanden. Daraus entwerfen Jan und sein Team nun ein Großmotiv für die Wand“, erläutert Lernzentrum-Leiterin Elisa Richter, die das Ganze begleitet hat. Wenn es dann ans Sprayen geht, dürfen die Workshop-Teilnehmenden wieder dabei sein. „Damit ermöglichen wir den Kindern und Jugendlichen, sich aktiv an Stadtgestaltung zu beteiligen“, so Richter. Wie genau das Mauerwerk unter der Brücke gestaltet wird, bleibt noch geheim. „Es wird aber eine schöne Szenerie, die den Kiez widerspiegelt“, versichert Jan Schmidt.
Anlass für den Auftakt-Rundgang vor einiger Zeit war eine Abfrage der Berliner Polizei nach Problemörtlichkeiten. „Der Abschnitt 33 hatte den S-Bahnhof Mahlsdorf gemeldet“, verrät eine Beamtin von der städtebaulichen Kriminalprävention. Seit vielen Jahren ist der Ort bereits Hotspot für Fahrradklau. „Vor allem weil für die Abstellanlage die Beleuchtung fehlt. Das zieht Diebe an.“ Wie ein Mantel legt sich die Dunkelheit über ihre Verbrechen. „Das ist ein großes Problem. Deswegen wollen wir hier mehr Beleuchtung“, erklärt die Polizistin. Zuständig ist die DB Netz AG der Deutschen Bahn. Sie hat inzwischen signalisiert, sich um die Lampen kümmern zu wollen.
Was der Beamtin und den anderen in der Runde hingegen nicht ganz einleuchtet: Warum manche Fahrradbesitzer ihre Räder nicht viel lieber an der hellen und dazu noch überdachten Abstellanlage neben Rewe anschließen. Ist es Bequemlichkeit? Denn von dort braucht man ein paar Schritte mehr zur S-Bahn. Noch weiter entfernt könnte das seit Jahren schon geplante Fahrradparkhaus entstehen, merkt Stadträtin Witt an. Die Anlage soll auf einer zugewucherten Fläche am Fuß- und Radweg ohne Namen errichtet werden, der den Bahnhof und die Florastraße verbindet. Zuletzt hatte die infraVelo GmbH als möglichen Fertigstellungstermin Anfang 2027 genannt. Derzeit gibt es allerdings noch wenig genaue Planungen und angesichts des Baumbestandes auch deutlich Stirnrunzeln bei den Beteiligten.
Gesprochen wird an diesem Freitagvormittag im April auch über neue Verkehrsschilder und Sitzgelegenheiten an genanntem Fuß- und Radweg sowie über das Für und Wider eines Drängelgitters, das Radfahrer unter der Brücke zum Absteigen zwingen und Fußgänger womöglich vor Kollisionen schützen könnte. Einig ist man sich, was den Taubenschutz angeht. Die Netze müssen unbedingt her. Auch sie sollen aus dem Bürgerhaushaltsbudget für den Vorschlag „Fahrradabstellanlage S-Bahn Mahlsdorf verschönern“ finanziert werden. Denn viele Passanten fühlen sich von den Vögeln belästigt und ekeln sich vor dem herabfallenden Kot. Juliane Witt berichtet bei der Gelegenheit von vermeintlichen Tierliebhabern, die an einem Baum auf der Grünfläche nebenan immer wieder Futter ausstreuen. Das ist nicht nur verboten, sondern auch ein gefundenes Fressen für Ratten, die sich in den benachbarten Gebüschen tummeln. Um der Wildtierfütterung einen Riegel vorzuschieben, hatte der Rewe-Betreiber den „Lieblingsbaum“ der Taubenfreunde eingezäunt. Doch Mensch und Tier sind pfiffig: Sie haben sich zwei Meter von der Stelle entfernt einfach den nächsten Baum gesucht. Diesmal klappt der Vorführeffekt: Bei der Verabschiedung zeigt die Stadträtin auf die kleine Wiese, wo sich gerade Spatzen und Tauben die Bäuche vollhauen, bis zwei Ratten dazwischen hüpfen und die Vögel vertreiben. Hier seien noch viele Gespräche nötig, gerade auch mit den Tierfreunden, betont sie.