Bibbern vor jedem Regenguss muss derzeit der Förderverein Gutshaus Mahlsdorf. Denn das Dach des Gebäudes, das die Gründerzeitsammlung von Charlotte von Mahlsdorf beherbergt, ist hochgradig sanierungsbedürftig. In den Ausstellungsräumen lief das Wasser schon die Wände herunter.
Im Damensalon des Gründerzeitmuseums erfüllt ein Klang längst vergangener Tage den Raum. Monika Schulz-Pusch hat das Spielwerk einer großen Standuhr angestellt. Es ertönt Linckes Gassenhauer „Berliner Luft“ aus dem Jahr 1904 – die inoffizielle Hymne der Hauptstadt. Die Museumsleiterin lächelt zufrieden. Mehrere Jahrzehnte lang fehlte die Uhr in der Sammlung. Charlotte von Mahlsdorf (1928-2002) hatte sie mitgenommen, als sie Deutschland 1997 den Rücken kehrte und nach Schweden übersiedelte. Später ging das gute Stück aus dem Jahr 1890 in den Besitz ihres Bruders Hanfried Berfelde über. Nach dessen Tod gelang es dem Förderverein, die Uhr zurück ins Gutshaus zu holen. „Wir konnten sie der Familie für die Hälfte Ihres Wertes abkaufen“, verrät Monika Schulz-Pusch.
Ermöglicht hat die Investition ein langjähriges Vereinsmitglied: Journalist Klaus Teßmann. Er führte einst selbst Gäste durch das Museum und starb 2020 völlig unerwartet. „Klaus lebte immer sehr bescheiden und hinterließ uns eine Spende aus einer Lebensversicherung. Wir vermissen ihn sehr und wollten das Geld verwenden, um ihm ein Denkmal zu setzen.“ Das dürfte gelungen sein. Auch Charlotte, da ist sich Bundesverdienstkreuz-Trägerin Schulz-Pusch sicher, würde sich freuen, dass die Uhr wieder an ihrem alten Platz stehe.
Sammlung erweitert
Ebenfalls aus dem Nachlass von Hanfried Berfelde stammen Bücherschränke für die Bibliothek und Stühle fürs Hochzeitszimmer. Eheschließungen finden im Gründerzeitmuseum bereits seit 1998 statt. Corona und der Personalnotstand zwangen das Marzahn-Hellersdorfer Standesamt allerdings zuletzt dazu, die Trauungen auszusetzen. Inzwischen können sich Paare in dem einmaligen Ambiente an wenigen ausgewählten Terminen wieder das Jawort geben.
Im Jagdzimmer zeigt Monika Schulz-Pusch auf ein schwarzes Gerät mit großem Metalltrichter: Den Edison-Phonographen (um 1890) konnte Restaurateur Horst Riesebeck, der im Gründerzeitmuseum die bei Besuchern enorm beliebte Musikmaschinensammlung betreut, auftreiben. „Mit dem Apparat ist man durch die ganze Welt gezogen, um Musik und Sprache aufzunehmen und wiederzugeben“, weiß Monika Schulz-Pusch. Sie finde es wichtig, immer mal wieder Neues zu zeigen, insofern sei es toll, die Sammlung hin und wieder erweitern zu können. Viele Besucher seien nämlich mehr als einmal in der Ausstellung. „Gerade die Mahlsdorfer, Hellersdorfer, Kaulsdorfer und Biesdorfer sind so begeistert vom Gründerzeitmuseum. Die kommen sehr oft wieder und bringen ihre ganzen Verwandten, Freunde und Gäste her.“
Es tropft durchs Dach
Bauchschmerzen bereitet dem Förderverein Gutshaus Mahlsdorf aktuell die Gebäudesubstanz. Zuerst hatte durch die Kellerwände drückendes Grundwasser dafür gesorgt, dass Mulackritze und Hurenstube zwei Jahre lang nicht besichtigt werden konnten. Nun kommt es nass von oben. Das Dach hat die Regengüsse der vergangenen Monate nicht verkraftet. Es muss dringend saniert werden. „In den Museumsräumen ist das Wasser schon die Wände heruntergelaufen. Glücklicherweise wurden die Möbel nicht beschädigt“ – dieses Mal jedenfalls nicht, bemerkt Schulz-Pusch. Mit Wannen und Eimern unter den undichten Stellen versuchen die Vereinsmitglieder notdürftig, das Schlimmste zu verhindern.
Mittlerweile hat die Dachdecker-Firma „Hoeltke und Langpeter“ gemeinsam mit dem Architekten Manfred Meinung ein Gutachten erstellt. Es kommt zu dem Ergebnis, dass eine komplette Erneuerung unumgänglich ist. Den Biberschwanzziegeln wird „völlige Materialerschöpfung“ attestiert. Die Dachdeckung sei lose, verschiebe sich bei Wind und lasse Regen durch. Zur Abwendung größerer Schäden müsse schleunigst was passieren. Die Kosten werden auf 200.000 Euro geschätzt. „Wir haben Angst vor den nächsten Regengüssen und hoffen inständig, dass uns die Stiftung Deutsche Klassenlotterie noch einmal hilft“, sagt Monika Schulz-Pusch. Der Antrag auf Fördermittel sei schon abgeschickt, auch die untere Denkmalbehörde habe grünes Licht für die denkmalgerechte Sanierung signalisiert. Ob die Arbeiten aber wie von den Experten empfohlen bereits im Sommer starten können, ist Stand jetzt noch völlig unklar.