Archiv des Mahlsdorfer Komponisten Schwaen: Wer bewahrt Berlin vor dem Verlust eines Kulturschatzes?

Kurt Schwaen (1909-2007) war einer der bekanntesten Komponisten der DDR und Wahl-Mahlsdorfer mit Leib und Seele. Im gemeinsamen Haus in der Wacholderheide 31 kümmert sich Witwe Ina Iske-Schwaen (88) mit Herzblut um den umfangreichen Nachlass des Bundesverdienstkreuzträgers. Doch was passiert mit den Schätzen, wenn sie das Archiv eines Tages nicht mehr betreuen kann? Seit Jahren schon bemüht sich die promovierte Musikpädagogin um die Sicherung des Fortbestands. Unterstützung vom Land Berlin? Fehlanzeige. Das hat der Senat in seiner kürzlich veröffentlichten Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion deutlich gemacht.

Seit 1980 betreibt Ina Iske-Schwaen das Kurt-Schwaen-Archiv (KSA). Notenautographe fast aller Kompositionen, Tagebücher aus den Jahren 1939 bis 2007, Schriften, Briefwechsel, Fotoalben, Schallplatten, Tonbänder, CDs, wissenschaftliche Arbeiten – all das und noch viel mehr entdecken Besucher beim Streifzug durch das Haus. Die Witwe des Komponisten pflegt nicht nur die Bestände, sie gibt auch jährlich eine Broschüre mit Neuigkeiten aus dem Archiv heraus, und ist Ansprechpartnerin für Studierende, Forschende und Musiker, die sich für Schwaen sowie dessen Kompositionen interessieren.

 

Dem Bezirk fehlt Platz, Personal und Geld

Im Bezirk ist die ungewisse Zukunft des Archivs seit Längerem ein Thema. „Wir haben schon oft versucht, Aufmerksamkeit dafür zu erzeugen. Leider immer wieder ohne Ergebnis“, sagt Bezirksstadträtin Juliane Witt (Linke), die von 2011 bis 2021 in Marzahn-Hellersdorf für Kultur zuständig war. Der Heimatverein Marzahn-Hellersdorf brachte vor knapp fünf Jahren Räumlichkeiten im Schloss Biesdorf ins Gespräch. Vor allem aber bestand die Hoffnung, das Kurt-Schwaen-Archiv könnte nach der Sanierung des Kulturgutes auf dem Gelände in Alt-Marzahn eine neue Heimat finden. Der zunächst geplante Neubau eines Depotgebäudes fiel jedoch dem Rotstift zum Opfer, wie der Vorsitzende des Heimatvereins, Wolfgang Brauer, zu berichten weiß. Nach wie vor sieht sich das Bezirksamt weder räumlich noch personell und finanziell imstande, das Archiv zu übernehmen und öffentlich zugänglich zu machen.

 

Dem Senat ist es offenbar schnuppe

Vor einigen Wochen hatte sich der Linken-Abgeordnete Kristian Ronneburg daher beim Senat erkundigt, welche Möglichkeiten das Land Berlin sieht, das Erbe „des großen Musikers“ zu erhalten. In der Antwort heißt es ungeachtet des hohen Alters der Archivleiterin: „Der Nachlass des Musikers und Komponisten Kurt Schwaen wird seit 1980 durch das in privater Trägerschaft befindliche Kurt-Schwaen-Archiv bewahrt. Der Senat sieht keine Notwendigkeit, hier eine Änderung herbeizuführen.“ Auf die Frage, ob die Option bestehe, das Haus in der Wacholderheide in Landesbesitz zu überführen und gegebenenfalls zu einem Musikzentrum zu entwickeln, entgegnet Kulturstaatssekretärin Sarah Wedl-Wilson kurz und knapp: „Nein.“ Man gehe davon aus, dass Ina Iske-Schwaen „geeignete Maßnahmen ergreifen werde, um die weitere Bewahrung des Erbes von Kurt Schwaen zu gewährleisten und sein Andenken angemessen zu würdigen“.

 

Sind damit die Tage des Archivs gezählt? Der Verbleib der kompletten Sammlung in Mahlsdorf, Marzahn-Hellersdorf oder einem anderen Berliner Bezirk ist jedenfalls fraglich. „Ich weiß, dass sich die Stadt Kattowice für einen ihrer berühmtesten Söhne interessiert“, verriet Wolfgang Brauer neulich beim Pressegespräch und fügte hinzu: „Wir haben in Berlin so etwas schon einmal erlebt.“ Mit „so etwas“ meint der Vorsitzende des Heimatvereins den Nachlass von Johannes Bobrowski. Dieser wurde nach dem Tod des Schriftstellers zu großen Teilen in ein kleines Städtchen an der Memel gegeben – nach Vilkyškiai in Litauen.

Veranstaltungstipp: „Ich kann nichts anderes …“ Aus dem Leben und Wirken des Komponisten Kurt Schwaen
Er beherrschte jedes Genre von der Oper bis zur Filmmusik, komponierte für Bertolt Brecht, arbeitete für Ernst Busch, schrieb mit dem Schriftsteller Günter Kunert die Kantate „König Midas“ und setzte sich für die musikalische Bildung von Kindern und Jugendlichen ein. Am Mittwoch, 17. April, hält seine Witwe im Schloss Biesdorf (Alt-Biesdorf 55) einen Vortrag über Kurt Schwaen. Beginn ist um 18 Uhr. Eintritt: 4 €. Um Voranmeldung per E-Mail wird gebeten: info@freunde-schloss-biesdorf.de

Datenschutzeinstellungen