Ob in den sozialen Medien, beim Gaming oder im Fernsehen: Jugendliche werden zunehmend mit Glücksspiel konfrontiert. Das Präventionsprojekt „abgezockt“ soll Schülerinnen und Schülern die damit verbundenen Risiken vermitteln und sie für das Thema sensibilisieren. In der Aula der Integrierten Sekundarschule Mahlsdorf fand am Dienstagvormittag die Auftaktveranstaltung statt. Mit dabei waren auch die Landessuchtbeauftragte Heide Mutter und Volker Röttsches von der DAK Berlin. Der Senat und die Krankenkasse fördern das Programm.
Während Julian (13) beim FIFA-Zocken schon mal mit Freunden um ein paar Euro wettet, wer die meisten Tore schießt, sagen Melly und Maya (14), dass sie mit Glücksspiel bislang noch nichts zu tun hatten – anders als Tischnachbarin Marie (13). Die verrät: „Ich habe schon mal Pferdewetten gemacht.“ Beim Besuch der Galopprennbahn Hoppegarten mit ihren Eltern konnte sie ihren Einsatz von 2,50 Euro immerhin verdoppeln. Den Projekttag an der Schule, bei dem sie gemeinsam mit anderen Siebt- bis Neuntklässlern einen Parcours durchläuft, findet die Teenagerin eigentlich ganz gut. „Ist nicht so langweilig wie gedacht und auf jeden Fall besser als Unterricht“, sagt Marie. Gelernt habe sie zum Beispiel, dass sich in vielen Videospielen zunehmend Glücksspiel-Elemente fänden, was ihr vorher so nicht bewusst gewesen sei.
Der Parcours „abgezockt“ ist keine neue Erfindung, sondern genau genommen eine Neuauflage. „Wir haben ihn gemeinsam mit der Niedersächsischen Landesstelle für Suchtfragen überarbeitet“, erklärt Sophie Schmid vom Präventionsprojekt Glücksspiel der pad gGmbH. Die Modernisierung sei aus mehreren Gründen nötig gewesen: „Wir haben einen Sportwettenmarkt, der boomt. Wir haben massive Glücksspielwerbung. Wir haben die Legalisierung des Online-Glücksspiels und wir haben eben auch zunehmend die Vermischung von Glücksspielen mit Computer- und Handyspielen.“ Das alles sei in die Weiterentwicklung der insgesamt zehn verschiedenen interaktiven Stationen eingeflossen. Spielerisch wird dort den jungen Leuten eine kritische Sichtweise auf das Glücksspiel vermittelt. „Der Parcours greift Jugendtrends auf und fördert einen reflektierten, risikoarmen Umgang mit Glücksspielen und ähnlichen Angeboten“, erklärt die Landessuchtbeauftragte Heide Mutter.
Neu ist auch, dass Schulen und Jugendfreizeiteinrichtungen den Parcours selbstständig ohne Schulung und ohne die Begleitung von Suchtpräventionsfachkräften durchführen können. Angedacht sei, das Material nicht nur über die pad gGmbH, sondern auch über die bezirklichen Schulpsychologischen und Inklusionspädagogischen Beratungs- und Unterstützungszentren (SIBUZ) an interessierte Lehrkräfte und Sozialarbeitende auszugeben. Im ersten Jahr sollen durch das Projekt mehrere Hundert Jugendliche und junge Erwachsene ab 14 Jahren erreicht werden. Warum das so wichtig ist, machen die Zahlen aus dem Glücksspielatlas 2023 deutlich. Danach hat weit über die Hälfte der Jugendlichen in Deutschland bereits Glücksspielerfahrung. 4,6 Millionen Erwachsene werden von Experten als spielsüchtig oder gefährdet eingestuft.
Volker Röttsches, Leiter der Landesvertretung der DAK-Gesundheit in Berlin, spricht von einem „ernstzunehmenden Problem“. Krankhaftes Spielen wirke sich erheblich auf das Leben der Betroffenen aus: Auf das soziale Umfeld, die Familie, Schule oder den Job und die finanzielle Situation. „Deshalb wollen wir bereits früh im Umfeld Schule für das Thema sensibilisieren und über die Gefahren aufklären.“
Die Jugendlichen der ISS Mahlsdorf seien digital „unheimlich aktiv“, bemerkt Schulleiterin Sibylle Fricke. „Deshalb ist Aufklärung und Prävention extrem wichtig.“ Ihre Schule konnte bereits in der Vergangenheit gute Erfahrungen mit dem Vorläufer-Projekt sammeln, so Fricke. „Daher freuen wir uns, dass wir als erste Schule in Berlin beim Start von ,abgezockt‘ dabei sind.“