Die Nachricht erzeugte große mediale Aufmerksamkeit: Im Sommer 2020 wurde bekannt, dass eine private Initiative auf einem 30.000-Quadratmeter-Grundstück an der Pilgramer Straße südlich von Porta beabsichtigt, im Eiltempo einen großen Bildungscampus für lebenslanges Lernen aus dem Boden zu stampfen. Heute, zwei Jahre später, gilt das ambitionierte Vorhaben als gescheitert. Wie der Senat dem Linken-Abgeordneten Kristian Ronneburg auf Nachfrage bestätigte, wurden die Planungen eingestellt.
Eine Schule, in der 1.500 Kinder und Jugendliche von Klasse 1 bis 13 lernen, eine Mini-Uni, eine Lehrerakademie, Café und Restaurant, ein Educational Technology Lab, Aufführungsflächen, ein Office-Campus für Start-ups, Ruhe- und Sozialräume und ein Sportcenter – das alles wollte die Bildungscampus Verwaltung und Betrieb GmbH auf dem Gelände in Mahlsdorf-Süd realisieren. Die Eröffnung der allgemeinbildenden Schule war sogar schon für das Jahr 2022 avisiert, was vielen auch angesichts eines noch laufenden Bebauungsplanverfahrens für das Areal ziemlich ehrgeizig erschien.
Jetzt steht fest: Die Pläne werden von der Projektentwicklerin und dem potenziellen Investor nicht länger verfolgt. Die Wirtschaftlichkeitsprüfung habe ergeben, dass eine vollständige soziale Zweckbindung auf dem Grundstück nicht rentabel sei, teilt die Senatskanzlei mit. „Die Gründe dafür liegen unter anderem auch in den Entwicklungen der Baustoffpreise und Finanzmärkte“, heißt es in der Antwort auf Ronneburgs schriftliche Anfrage.
Parteien laufen sich für den neuen Wahlkampf warm
Die SPD in Marzahn-Hellersdorf hat diese neue Information vor wenigen Tagen zum Anlass genommen, um in einer Pressemitteilung gegen den Marzahn-Hellersdorfer Bundestagsabgeordneten Mario Czaja (CDU) auszuteilen. Denn der war vor zwei Jahren vorgeprescht, hatte das Projekt auf seiner Internetseite publik gemacht und damit auch die Initiatoren ein wenig überrumpelt. Bildungscampus-Geschäftsführerin Anja Best bemerkte gegenüber dem Tagesspiegel, sie wäre lieber erst mit einer Baugenehmigung in der Tasche an die Öffentlichkeit gegangen.
Czaja sagte aber auch Hilfe bei Bebauungsplänen, „den Ämterthemen und vielen anderen Sachen mehr“ zu. Daraufhin titelte der Kurier: „Ex-Senator hilft den Campus-Machern“. „Dieser Wahlkampfidee hätte man eine längere Halbwertszeit gewünscht“, stichelt nun die langjährige Schulleiterin des Victor-Klemperer-Kollegs und stellvertretende Kreisvorsitzende der SPD-Marzahn-Hellersdorf, Marion Hoffmann. SPD-Kreischef Gordon Lemm teilt ebenfalls ordentlich aus. Er sagt: „Schade, dass Mario Czaja so schnell nach der Wahl und seinem plötzlichen Aufstieg zum Generalsekretär seinen Wahlkreis vergessen hat“. Die Causa Bildungscampus zeige einmal mehr, dass der CDU-Politiker „Weltmeister im Ankündigen, aber nicht einmal Kreisklasse im Umsetzen“ sei, so Lemm mit Verweis auf „eine Reihe von Pleiten“ – etwa die vor einem Jahr getätigte Aussage Czajas, er werde als Bundestagsabgeordneter „den Vertrag“ für das dringend benötigte Freibad im Bezirk „wasserdicht“ machen. Dass der Bildungscampus nun nicht realisiert werden könne, findet der jetzige Bezirksbürgermeister und frühere Bildungsstadtrat sehr bedauerlich. „Gerade in der Region Mahlsdorf/Kaulsdorf hätte das zusätzliche Angebot helfen können, weitere Schulplätze zur Verfügung zu stellen.“ Schul- und Jugendamt, versichert Lemm, hätten die private Initiative „früh in ihren Plänen unterstützt, gemeinsame Bedarfe besprochen und attestiert.“ Von dem öffentlich kommunizierten Support des damaligen Wahlkreisabgeordneten habe er sich greifbare Ergebnisse erhofft.
Gegenüber „Alles Mahlsdorf“ erklärt Mario Czaja, er hätte sich sehr gefreut, wenn der private und freie Bildungscampus in Mahlsdorf entstanden wäre. Daher habe er das Projekt von ganzem Herzen unterstützt. Mit den Initiatoren sei er weiterhin „intensiv im Austausch“. In Richtung der SPD bemerkt der CDU-Generalsekretär, dieses Schulprojekt sei nicht das einzige in freier Trägerschaft, das in Berlin nicht habe Fuß fassen können. „In den letzten zehn Jahren hat die SPD-geführte Bildungsverwaltung es geschafft, nicht eine einzige private Schulgründung abzuschließen“, kritisiert er. Gescheitert sei das Campus-Projekt seines Erachtens an den bürokratischen Hürden der Senatsverwaltung und der Unterfinanzierung von freien Schulen in Berlin im Allgemeinen. Derzeit bekommen Träger privater Schulen vom Land maximal 93 Prozent der Personalkosten für Lehrkräfte finanziert, alle andere Ausgaben müssen sie selbst stemmen. „In Zeiten, wo Berlin über 20.000 Schulplätze fehlen, können wir uns das gezielte Verhindern von Schulgründungen nicht mehr leisten“, meint Czaja. Dass es auch anders gehe, würden die Nachbarn aus Brandenburg beweisen. Dort konnten die freien Schulen zuletzt eine finanzielle Besserstellung erreichen.
Komplett will er den Traum vom Mahlsdorfer Bildungscampus auch noch nicht begraben. Wenn die Bürgerinnen und Bürger „aufgrund des einzigartigen Wahlorganisationsdesasters“ womöglich im Februar 2023 erneut an die Wahlurnen gerufen werden, könne auch dieses Vorhaben wieder eine Chance haben, kontert Czaja die Attacke der SPD. Gordon Lemm meint dazu, wer Probleme gelöst oder Vorhaben umgesetzt haben möchte, solle sich künftig lieber an „seriösere“ Ansprechpartnerinnen oder Ansprechpartner wenden. Diese gebe es auch innerhalb der CDU im Bezirk.
Ganz klar: Die Zeichen stehen schon jetzt auf Wahlkampf. Es dürfte ein heißer politischer Winter in Berlin werden.
Noch ist übrigens nicht bekannt, was nun aus dem 30.000 Quadratmeter großen Gelände werden soll. Die in Marzahn-Hellersdorf seit einem Jahr für Stadtentwicklung zuständige Bezirksstadträtin Juliane Witt (Linke) steht im engen Austausch mit der Eigentümerin des Grundstücks und verrät, dass diese sich dazu Ende Oktober äußern wolle. Der Bebauungsplan wird gegebenenfalls unter Änderung der Planziele fortgeführt.
Bildungscampus-Geschäftsführerin Anja Best hat auf jeden Fall mit dem Vorhaben abgeschlossen: „Es ist eine wirtschaftlich und geopolitisch sehr schwierige Zeit und leider ist es uns unter diesen Rahmenbedingungen nicht gelungen, ein ansprechendes und so dringend notwendiges Schulprojekt umzusetzen. Mit Projekteinstellung endete auch unsere Tätigkeit an dem geplanten Standort.“ Den Kindern und Familien in Mahlsdorf wünscht sie, dass in absehbarer Zukunft eine Lösung für die Schulplatzsituation gefunden wird, sodass alle Mädchen und Jungen in ihrem Bezirk einen Platz in einer schönen Lernumgebung finden.