Dunkle Jahre von 1933 bis 1945: Mahlsdorf in der NS-Zeit

Am 25. Januar wurde unser Mahlsdorf exakt 675 Jahre alt. Seitdem nimmt „Mahlsdorf LIVE” dieses Jubiläum immer wieder zum Anlass, über historische Ereignisse oder geschichtlich bedeutende Vorgänge aus unserem Ortsteil zu berichten (siehe Links am Ende des Artikel). Dazu konnten wir die Historikerin Dr. Christa Hübner, welche als stellvertretende Vorsitzende des Heimatvereins wirkt und sich seit mehr als 20 Jahren mit der Geschichte des Bezirks Marzahn-Hellersdorfs beschäftigt, gewinnen. Hier ihr aktueller Text über Mahlsdorf im Nationalsozialismus, der gerade in Zeiten, in denen schwarz-weiß-rote Fahnen auf der Treppe des Reichstags wehen und Hunderte deutlich erkennbare Rechtsextreme unwidersprochen inmitten eines Demonstrationszuges laufen, wichtig ist – denn er erinnert an die zwölf dunkelsten Jahre der neueren Mahlsdorfer Geschichte.

Nachdem Adolf Hitler von Reichspräsident Paul von Hindenburg am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt und die Nazis noch am selben Tag triumphierend durch das Brandenburger Tor gezogen waren, wurde das gesamte politische und gesellschaftliche Leben dem NS-Regime untergeordnet. Schon bei den Reichstagswahlen im März 1933 war in Mahlsdorf die NSDAP die wählerstärkste Partei, doch konnten die SPD, die bisher politisch dominiert hatte, und die gleichfalls starke KPD zusammen noch deutlich mehr Stimmen als die Nazis gewinnen.

Wie in ganz Deutschland waren auch in Mahlsdorf nach der Machtübernahme durch die Nazis die Parteien und Organisationen verboten, mussten ihre Tätigkeit einstellen oder wurden „gleichgeschaltet“. Der traditionsreiche Verein Eintracht Mahlsdorf löste sich als Arbeitersportverein im September 1933 unter Polizeiaufsicht zwangsweise selbst auf. 1945/46 wiedergegründet und mehrfach umstrukturiert, ist er heute der größte Sportverein in Marzahn-Hellersdorf.

Es gab, wenn auch nur vereinzelt, Widerspruch gegen die Gleichschaltung, so etwa im Frühjahr 1933 vom Ehrenvorsitzenden des „Haus- und Grundbesitzervereins Mahlsdorf 1909“ Karl Friehe, der sich daraufhin wochenlang heftigen Angriffen ausgesetzt sah. Friehe ließ sich aber offenbar nicht einschüchtern. Er trat bei den Wahlen zu den Gemeindekirchenräten im Juli 1933 mit einer eigenen Liste an und wurde zum Kirchenältesten gewählt. Unter den Ortsteilen des heutigen Bezirkes hatte es allein in Mahlsdorf überhaupt eine Wahl gegeben, in den anderen stellten nur die „Deutschen Christen“, die sich die NS-Ideologie zu eigen gemacht hatten, eine Liste auf. Da aber die Deutschen Christen in Mahlsdorf 75 Prozent der Stimmen errangen, gehörte auch der NSDAP-Ortsgruppenleiter Fritz Müller dem Gemeindekirchenrat an.

Er war einer der führenden Nazis im Bezirk Lichtenberg und leitete ab 1938 zugleich die NSDAP-Kreisorganisation. 1939 legte er sein Amt als Kirchenältester in Mahlsdorf nieder, wie andere anderswo seit 1938 auch, nachdem die Nazis zu der Überzeugung gelangt waren, dass es ihnen nicht gelingen würde, die evangelische Kirche völlig unter ihre Kontrolle zu bringen.

Während des Zweiten Weltkrieges wurden auch nach Mahlsdorf Menschen aus verschiedenen Ländern Europas verbracht, die Zwangsarbeit zu leisten hatten. Drei Lager, in denen sie untergebracht waren, sind bisher nachgewiesen, hinzu kam eine unbekannte Zahl an Frauen und Männern, die bei Privatpersonen leben und arbeiten mussten.

Der rassistischen Verfolgung der Nazis fielen mehr als 30 in Mahlsdorf wohnende Juden zum Opfer. Zu ihrem Gedenken wurden bisher 16 Stolpersteine verlegt, die ersten am 22. Mai 2008 für sechs Angehörige der Familie Lange an der Lohengrinstraße 2 sowie für den Maler Walter Reissner (deportiert ins Vernichtungslager Auschwitz) am Eichenhofweg 9. Im selben Jahr erhielt der Guthmannplatz in Mahlsdorf-Nord seinen Namen, der an sieben Mitglieder der Familie Guthmann erinnert. 2013 wurden für sie am Eingang Lemkestraße des Friedhofes in Mahlsdorf-Nord, wo sich früher ihr Wohnhaus befunden hatte, Stolpersteine verlegt, seit 2018 gibt es dort auch eine Informationstafel.

Auch in Mahlsdorf waren es nur wenige Menschen, die sich dem NS-Regime aktiv widersetzten. Derzeit sind etwa 90 Personen namentlich bekannt, die auf unterschiedliche Weise Widerstand leisteten. Einige wie die Sozialdemokraten Franz Marquardt und Karl Siegle wurden inhaftiert, andere bezahlten ihren Widerstand mit dem Leben, wie die Kommunisten Johann Przybilla, Karl Vesper und Arthur Weisbrodt. 1987 wurde auf dem Hummelplatz zur Erinnerung an die drei Männer ein Gedenkstein mit einer Tafel eingeweiht. Da diese Tafel verschwunden ist, wurde 2010 eine neue enthüllt.

Schon eine unbedachte Äußerung konnte in der NS-Zeit mit dem Tode bestraft werden, wie die des Mahlsdorfer Apothekers Hans Neue. Dieser war während seiner Dienstverpflichtung in Eberswalde denunziert worden, weil er nach dem Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 geäußert hatte: „Schade, dass es nicht geklappt hat“. Hans Neue wurde am 22. Juli verhaftet und am 29. Januar 1945 im Zuchthaus Brandenburg-Görden hingerichtet. Auf dem Waldfriedhof an der Rahnsdorfer Straße fand er seine letzte Ruhestätte.

Mit dem Eintreffen der Roten Armee am 22. April 1945 endete in Mahlsdorf der von Deutschland 1939 begonnene Zweite Weltkrieg. Auch die Mahlsdorfer waren nun von der Naziherrschaft befreit.

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