Erinnerungen an Alice Herz: Lesung und Gespräch am 7. Mai

Am 8. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg in Europa. Die Initiative „Denk Mal am Ort“ bietet rund um den 78. Jahrestag einen Rahmen für persönliche Erinnerungen an Verfolgte des Nationalsozialismus. In Mahlsdorf wird am heutigen Sonntag, dem 7. Mai, Alice Herz (1882-1965) gedacht. Die Friedensaktivistin, Journalistin und Frauenrechtlerin lebte viele Jahre in Mahlsdorf, bis sie aus Nazi-Deutschland emigrieren musste und in den USA eine neue Heimat fand. Mit 82 Jahren, zu Zeiten des Vietnamkriegs, wählte sie eine der extremsten Formen des politischen Protests: die öffentliche Selbstverbrennung. Lesung und Gespräch finden um 13 Uhr in der nach ihr benannten Grünanlage an der Giesestraße statt.

Anders als in den Vereinigten Staaten und in Asien ist die gebürtige Hamburgerin mit den jüdischen Wurzeln hierzulande recht schnell in Vergessenheit geraten. In Marzahn-Hellersdorf aber wird ihr ein ehrendes Andenken im Straßenbild bewahrt. Seit 2003 trägt der einstige Mahlsdorfer „Platz 18“ den Namen Alice Herz. Angeregt hatte die Würdigung der Ortschronist Harald Kintscher. 

 

Herz, die sich zu Beginn ihres politischen Engagements für die freie Ehe und das Frauenwahlrecht einsetzte, wohnte bis 1933 in Mahlsdorf-Süd. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Paul, der in einer Köpenicker Chemiefabrik eine leitende Stelle übernommen hatte, sowie den Kindern Helga und Konrad war sie 1919/1920 in das Haus in der Akazienallee 4 gezogen.

Die Jahre in Mahlsdorf waren für die Familie zunächst unbeschwert. Schlimme Schicksalsschläge um die Jahreswende 1928/29 aber beendeten die glückliche Zeit jäh. Kurz nacheinander starben Paul und der 13-jährige Konrad. Nach dem Tod der beiden intensivierten Mutter und Tochter ihr Engagement in der Friedensbewegung.  Seit etwa 1932 engagierten sich beide in der Internationalen Frauenliga.

 

Als 1933 die Nazis an die Macht kamen, ahnten Alice und Helga Herz, dass sie in Deutschland nicht längerer sicher sind. Unmittelbar nach dem Reichstagsbrand trafen sie den Entschluss, zu emigrieren. Nach Stationen in der Schweiz, Frankreich und Kuba landeten sie in den USA. Ihre neue Wahlheimat wurde Detroit, wo Alice als Deutschlehrerin an der Wayne State University eine Anstellung fand und nebenbei auch Artikel für die Schweizer Zeitschrift „Neue Wege“ schrieb. Helga hingegen arbeitete als Bibliothekarin. Beide schlossen sich verschiedenen Friedensbewegungen und den Quäkern an. 

 

Bis zu ihrer öffentlichen Selbstverbrennung am 16. März 1965 auf offener Straße in Detroit kämpfte Alice Herz unermüdlich gegen Hass und für Atomwaffenfreiheit. Sie warnte vor den Gefahren neuer Kriege und verurteilte die Eskalation des Vietnamkonflikts aufs Schärfste. Vor ihrem Selbstmord verfasste und verbreitete sie ein anklagendes Flugblatt. Es war gegen Präsident Lyndon B. Johnson, aber auch gegen seine Amtsvorgänger und an das amerikanische Volk gerichtet. In einem Absatz schrieb sie: „Wacht auf und handelt, bevor es zu spät ist. Ihr habt die Verantwortung, zu entscheiden, ob diese Welt ein guter Ort sein wird, an dem alle Menschen in Würde und Frieden leben, oder ob sie sich selbst in die Luft sprengt.“ Um sich Gehör zu verschaffen, habe sie den „Flammentod der Buddhisten“ gewählt, erklärte die Aktivistin in dem Schreiben.

 

Als der Vietnamkrieg am 30. April 1975 endete, war Alice Herz schon zehn Jahre tot. Heute, im Jahr 2023, sind ihr Einsatz für Frieden und ihre Warnung vor (nuklearem) Wettrüsten aktueller denn je.

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