Seit Freitagabend erinnert in der Elsenstraße ein weiß lackiertes Rad an den Mann, der dort am 12. September verunglückt ist. Der 68-Jährige war mit seinem Rennrad in das Heck eines am rechten Fahrbahnrand abgestellten Lkw gefahren und erlag drei Tage später im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen. Bei einer Fahrraddemo und Mahnwache gedachten der ADFC Berlin und der Verein Changing Cities des Verstorbenen. Unter den etwa 40 Anwesenden herrschte tiefe Betroffenheit – aber auch Unverständnis ob des fehlenden Radwegs. Mit Verweis auf den einige Hundert Meter entfernten Schulstandort schrieb Changing Cities im Anschluss bei X (früher Twitter): „So viel zur Schulwegsicherheit in Berlin“.
Dreimal läuteten die Aktivisten ihre Fahrradklingel für den Verstorbenen, bevor es still wurde. Während der Schweigeminuten setzten sich einige Teilnehmer auf den Asphalt. Danach wurde das Geisterrad samt Erinnerungstafel mit einem Schloss und mehreren Kabelbindern an einer Laterne befestigt. Mindestens ein Jahr lang soll es hier als Mahnmal stehen. Wenn es die Angehörigen wünschen, auch länger, erläuterte Stefan Gammelien von Changing Cities. Er hatte zuvor die Gedanken von Stefan Fruhner zum tragischen Unfall vorgelesen. Der Sprecher des Netzwerks Fahrradfreundliches Marzahn-Hellersdorf war verhindert, hatte es sich aber nicht nehmen lassen, eine Ansprache zu Papier zu bringen, in der er den Hinterbliebenen sein Mitgefühl zum Ausdruck brachte.
„Wir bedauern zutiefst, was hier passiert ist, denn es war sinnlos und vermeidbar“, so Fruhner, der die Gegebenheiten vor Ort bestens kennt. Er selbst ging vor 30 Jahren auf die Oberschule am Elsengrund. Seither, sagt er, habe sich die Infrastruktur zum Radfahren kein bisschen gebessert. Der Radweg endet in Richtung Kaulsdorf kurz hinter der Freien Schule, ebenso die zeitlich begrenzte Tempo-30-Zone. „Parkende Lkw sind hier nicht ungewöhnlich. Man sieht es an den Spuren am Feldrand. Wer hier regelmäßig Fahrrad fährt, kennt sie“, weiß der Radaktivist.
Ob der ums Leben gekommene 68-Jährige häufiger auf der Strecke unterwegs war, ist nicht bekannt. Auch die Umstände des Unfalls sind unklar. Eine Teilnehmerin der VisionZero-Demonstration spekulierte, ob der Rennradfahrer einen Moment den Kopf gesenkt habe und deshalb den halb im Gras, halb auf der Straße geparkten Lkw übersah oder aber womöglich Gegenverkehr ihn daran hinderte, schnell genug auszuweichen. Tatsache ist: Legal oder auch illegal am Fahrbahnrand abgestellte Lastkraftwagen gibt es an vielen Hauptverkehrsstraßen im Bezirk. Oft stellen sie ein Sicherheitsrisiko für andere Verkehrsteilnehmer dar.
In der kommenden Woche, am Freitag, dem 29. September, wird Bezirksbürgermeisterin Nadja Zivkovic (CDU) gemeinsam mit Mitgliedern des bezirklichen FahrRats die Unglücksstelle besuchen. Eine zehn Kilometer lange Tour durch Kaulsdorf und Mahlsdorf war schon vor dem Unfall geplant. „Die Elsenstraße wurde ganz bewusst gewählt“, weiß Stefan Fruhner. Ob sich im Nachgang etwas an der Verkehrssituation vor Ort ändern wird, bleibt abzuwarten. Aktuell streitet die schwarz-rote Koalition über die von der CDU angestrebte Änderung des Mobilitätsgesetzes, wonach für Radfahrer und Fußgänger wieder weniger Platz vorgesehen ist.
Für Grit Lehmann von der Stadtteilgruppe Wuhletal des ADFC steht außer Frage, dass es an der Elsenstraße und Am Niederfeld nicht so bleiben könne wie bisher. Solange es noch keinen getrennten Radweg gebe, lautet ihre Forderung durchgängig Tempo 30.