Roedern- und Arndtstraße behalten ihre Namen

Am Umgang mit belasteten Straßennamen scheiden sich die Geister. Ist es vertretbar, historische Persönlichkeiten, denen nach heutigen Wertevorstellungen eigentlich keine Ehre mehr gebührt, weiter zu ehren? Sollten deren Namen aus dem öffentlichen Raum wegradiert oder besser durch Erklärtafeln ergänzt werden? Ist Anwohnern der bürokratische Aufwand einer Umbenennung zuzumuten? Mit diesen Fragen haben sich die Bezirksverordneten in Marzahn-Hellersdorf anderthalb Jahre lang in den Fachausschüssen beschäftigt. Ganz konkret ging es um die Roedern- und die Arndtstraße in Mahlsdorf-Süd. Jetzt hat die BVV eine Entscheidung getroffen. Vorher wurden zwei Anträge noch einmal hitzig diskutiert.

Die Roedernstraße erhielt ihren Namen laut Straßenverzeichnis Kauperts um 1905, die Arndtstraße am 23. November 1907.

Als der Berliner Senat vor knapp zwei Jahren die von dem Leipziger Politologen Dr. Felix Sassmannshausen erstellte Studie zu 290 Platz- und Straßennamen mit antisemitischen Bezügen veröffentlichte, gingen mit der langen Liste auch Handlungsempfehlungen an die Bezirke raus – beginnend bei zusätzlicher Forschung über das Anbringen erklärender Tafeln bis hin zur Umbenennung. Letztere wird es in Marzahn-Hellersdorf, wo 16 diskussionswürdige Straßennamen identifiziert wurden, vorerst nicht geben. Ein entsprechender Antrag ist am vergangenen Donnerstag in der Bezirksverordnetenversammlung mit den Stimmen von CDU und AfD verabschiedet worden. Statt Straßen umzubenennen, wird dem Bezirksamt nahegelegt, die Erkenntnisse des Sassmannshausen-Dossiers „in geeigneter Form durch weitergehende Informationen“ in den jeweiligen Straßen zugängig zu machen, um „eine kritische Einordnung der Personen zu fördern“, wie es in dem Antragstext heißt.

 

Ursprünglich hatten FDP, SPD, Grüne und Linke nach Veröffentlichung der Studie gefordert, die Roedern- und die Arndtstraße in Mahlsdorf umzubenennen. Gegen den Vorstoß regte sich nicht nur bei den politischen Mitbewerbern aus dem konservativen und rechten Lager Widerstand, auch die Anwohner gingen auf die Barrikaden. Ihnen graute vor allem vor dem zeitlichen und finanziellen Aufwand, die eine neuen Adresse bedeuten würde. Ausweise und Führerscheine hätten geändert und diverse Stellen wie Krankenkassen und Versicherungen informiert werden müssen.

 

Roedern haftete Nazivergangenheit an

Regina Kittler von den Linken erklärte in der BVV, es sei vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse und aus der deutschen Verantwortung heraus notwendig, über die Umbenennung von Straßen zu diskutieren, sofern die Würdenträger nachweislich antisemitische Positionen vertraten. Im Fall des preußischen Staatssekretärs und -ministers Siegfried von Roedern (1870–1954), der in seiner Zeit als Niederbarnimer Landrat den Ausbau der kommunalen Infrastruktur vorantrieb, seien die fachpolitischen Sprecher der einreichenden Fraktionen nach intensiver Recherche und der Anhörung eines Historikers zu dem Entschluss gekommen, von einer Umbenennung abzusehen.

 

Roedern war zwar NSDAP-Mitglied und habe der Ernennung zum Ehrenführer der SS nicht widersprochen, so Kittler, zog sich 1933 aber aus fast allen Ämtern zurück und soll Freunden jüdischer Abstammung in „gefährlichen Momenten“ geholfen haben. In dem geänderten Antrag zur Roedernstraße, den die BVV einstimmig annahm, wird empfohlen, auf Roederns widersprüchliche Lebensgeschichte mit Straßenergänzungsschildern hinzuweisen. Der vorgeschlagene Text ist ziemlich kurz gehalten: „Siegfried von Roedern (1870–1954), 1905 Landrat v. Niederbarnim; 1916 preußischer Minister; Obwohl 1935 Ehrenführer SS schützte Roedern rassistisch Verfolgte“, soll auf den erklärenden Tafeln stehen.

 

Ein Schlussstrich unter die Debatte?

Kittler betonte in ihrem Redebeitrag aber auch, dass es keinen Schlussstrich unter die generelle Debatte um problematische Straßennamen geben dürfe. Der Antrag, der später von CDU und AfD beschlossen wurde, schließe Umbenennungen per se aus und könne daher von ihr nicht mitgetragen werden. „Mit der Frage der Arndstraße haben wir uns zum Beispiel noch gar nicht abschließend beschäftigt“, so die kulturpolitische Sprecherin der Linksfraktion. „Hier werden wir genauso umfänglich ermitteln und dann zu einem wie auch immer gearteten Beschluss kommen.“ Auch Pascal Grothe von den Grünen und Christian Linke von der SPD sprachen sich dagegen aus, Straßenumbenennungen grundsätzlich eine Absage zu erteilen. „Jetzt von vornherein zu sagen: Völlig egal, was eine Person für Taten begangen hat, da brauchen wir nur ein Zusatzschild, finde ich schwierig“, erklärte Grothe. Sollte es in der Zukunft Straßenumbenennungen geben, müsse der Bezirk allerdings dafür sorgen, dass den Anwohnern keine Kosten entstünden, regte der Grünen-Politiker an.

 

CDU: Straßenumbenennungen kein geeignetes Instrument

Er wolle keinen Schlussstrich unter die Debatte, stellte CDU-Fraktionschef Johannes Martin klar. „Wir wollen die kritische Auseinandersetzung und wir wollen sie im öffentlichen Raum halten“. Straßenumbennungen halte er nicht für das geeignete Instrument. „Da stehen wir eins zu eins 100-prozentig an der Seite der Anwohnerinnen und Anwohner“, machte Martin deutlich. Den anderen Fraktionen warf er vor, über die Köpfe der Menschen aus der Roedern- und Arndtstraße hinweg eine Diskussion angestoßen zu haben. Außerdem plädierte er dafür, mit beiden Straßennamen gleich zu verfahren. „Sie wollen mir sagen, dass Sie es in den letzten anderthalb Jahren nicht geschafft haben, sich auch mit der Biografie von Arndt auseinanderzusetzen“, stichelte Martin in Richtung Regina Kittler, und erklärte abschließend: „Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass alle sehr viel Zeit hatten, sich mit beiden Personen und mit beiden Biografien auseinanderzusetzen.“

 

Sassmannshausen hatte für die Arndtstraße eine Umbenennung empfohlen. Er bezeichnet den Schriftsteller, Historiker und Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung, Ernst Moritz Arndt (1769–1860), in seiner Ausarbeitung als Antisemiten und Vertreter eines aggressiven Nationalismus. Die Uni Greifswald legte 2018 den Namen „Ernst Moritz Arndt“ ab. Tatsächlich war Arndt eine äußerst ambivalente Person. Wolfgang Brauer, Vorsitzender des Marzahn-Hellersdorfer Heimatvereins, hatte im vergangenen Jahr bei einem Pressegespräch erklärt: „Viele Historikerinnen und Historiker sehen in ihm eben nicht nur den Franzosenhasser und Judenfeind, sondern auch den Reformer und demokratischen Vordenker.“ In Arndts Fall sei daher historische Aufklärung und Diskussion angeraten.

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