Stilles Gedenken auch in Mahlsdorf

78 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee wird heute wieder weltweit an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Das „Bündnis für Demokratie und Toleranz am Ort der Vielfalt Marzahn-Hellersdorf“ ruft zum stillen Gedenken im Bezirk auf. Am morgigen Samstag, dem 28. Januar, finden an verschiedenen Orten Aktionen statt – auch in Mahlsdorf.

Erinnerung an alle Nazi-Opfer wachhalten

Auschwitz symbolisiert wie kein anderer Ort die Verbrechen der Nazis. Über eine Million Menschen wurden in dem Massenvernichtungslager umgebracht. Nach der Befreiung am 27. Januar 1945 Uhr ging das Morden in Bergen-Belsen, Dachau, Buchenwald und anderswo bis zum endgütigen Zusammenbruch des Nationalsozialismus noch Monate weiter. Die Opfer waren zumeist Juden, aber auch Sinti und Roma, Behinderte, Regimegegner und andere Menschen, die nach NS-Ideologie als „lebensunwert“ eingestuft wurden, darunter auch sexuelle Minderheiten. Erstmals wurden heute bei der alljährlichen Gedenkstunde im Bundestag die Schicksale von Menschen in den Mittelpunkt gestellt, die wegen ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität verfolgt wurden.

 

Queeres Gedenken im Gutshaus Mahlsdorf

Im Gutshaus Mahlsdorf (Hultschiner Damm) findet morgen um 11 Uhr eine Gedenkveranstaltung für queere Opfer statt. Der Ort dafür ist alles andere als willkürlich gewählt. Die 1928 als Lothar Berfelde geborene Charlotte von Mahlsdorf, einst Ikone der Schwulen- und Lesbenszene Ostberlins, baute hier seit den 60er Jahren das Gründerzeitmuseum auf. Ihre Vorliebe für alte Möbel, Frauenschürzen und die erotische Neigung zum männlichen Geschlecht hatte von Mahlsdorf schon in jungen Jahren entdeckt. Dass dies dem kleinen Lothar im Nationalsozialismus nicht zum Verhängnis wurde, soll wohl auch einer lesbischen Tante und einem verständnisvollen Großonkel zu verdanken gewesen sein, die beide schützend ihre Hände über den Knaben hielten.

 

Stolpersteine für Familie Guthmann in der Lemkestraße

Der zweite Ort des stillen Gedenkens in Mahlsdorf ist der Friedhof in der Lemkestraße. Um 10 Uhr werden vor dem Eingang die Stolpersteine für die Guthmanns geputzt. Auf dem Friedhofsgelände erinnert eine Gedenktafel an das Schicksal der jüdischen Familie, die dort früher ihr Haus hatte. Otto Guthmann hatte es selbst gebaut und war Mitte der 1930er-Jahre mit seiner Frau und den vier Kindern Berthold, Leopold, Hans und Eva eingezogen. 1937 kam die jüngste Tochter Maria in der Lemkestraße 156 zur Welt.

 

Als die antisemitischen Repressalien der Nazis immer massiver wurden, bemühte sich die Familie vergeblich um eine Emigration nach Südamerika. Berthold war in einer Widerstandsgruppe aktiv. Am 5. September 1942 wurde der damals 18-Jährige nach Riga deportiert. Von dort verschleppte man ihn in verschiedene Konzentrationslager. Nur wenige Wochen vor der Befreiung starb er am 3. März 1945 im KZ Rehmsdorf, einem Außenlager des KZ Buchenwald.

 

Sein Vater und die beiden Brüder mussten Zwangsarbeit bei verschiedenen Berliner Betrieben leisten. Sie wurden am 27. Februar 1943 im Zuge der sogenannten „Fabrikaktion“, einer Großrazzia gegen Juden, verhaftet und nach Auschwitz deportiert. Auch alle drei weiblichen Familienmitglieder kamen in das Massenvernichtungslager. Als einziges Familienmitglied überlebte Leopold den Holocaust.

 

Unmittelbar nach der Verhaftung der Familie soll ihr Haus von Nachbarn und unbekannten Personen geplündert und im März 1943 bei einem Luftangriff zerstört worden sein. Zur Erweiterung des Friedhofs wurde das verwilderte Grundstück auf Antrag des Stadtbezirks Lichtenberg 1967 gegen Entschädigung enteignet.

Stilles Gedenken in Marzahn-Hellersdorf – alle Stationen im Überblick

10.00 Uhr: Stolpersteine für die Familie Guthman (Lemkestraße)

11.00 Uhr:  Gedenken an queere Opfer im Gutshaus Mahlsdorf (Hultschiner Damm 333)

11.00 Uhr: Stolpersteine Fanny Feibusch/Jenny Cohn (Otto-Nagel-Straße)

11.00 Uhr: Poelchaustele (Poelchaustraße/ Ecke Märkische Allee)

13.00 Uhr: Gedenkstätte NS-Zwangslager Marzahn (Otto-Rosenberg-Platz), danach Gang zum Gedenkstein für Sinti und Roma und zur Gedenkstele für die Opfer der Zwangsarbeit auf dem Parkfriedhof

15.00 Uhr: Ehemaliges Zwangsarbeiterlager Kaulsdorf (Kaulsdorfer Straße 90)

16.00 Uhr: Gedenktafel Arno Philippsthal (Oberfeldstraße 10)

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