Stolpersteinspaziergang durch Mahlsdorf

Am Donnerstag, dem 9. November, jährt sich die Reichspogromnacht zum 85. Mal. Die Evangelische Kirchengemeinde Berlin-Hellersdorf nimmt das Datum zum Anlass, um ein Zeichen gegen Antisemitismus zu setzen und an jüdische Menschen zu erinnern, die den Gräueltaten der Nationalsozialisten zum Opfer fielen. Um 15 Uhr startet am S-Bahnhof Mahlsdorf ein Spaziergang zu Stolpersteinen im Siedlungsgebiet.

 

Erste Station ist der letzte Wohnort der Familie Lange. In der Lohengrinstraße 2 hatten der damals 45-jährige Kaufmann Heinrich Lange und seine zweite Ehefrau Rosa Lichtenstein kurz vor ihrer Hochzeit im Jahr 1941 eine kleine Laube bezogen. Bald darauf wurde die Familie größer. Nach dem 1936 geborenen Sohn Manfred, den Rosa in die Beziehung mitgebracht hatte, kamen 1941 und 1942 die Jungen Salo und Denny zur Welt.

 

Trotz der beengten Wohnverhältnisse gab das Ehepaar zeitweise noch drei weiteren Personen ein Dach über dem Kopf: Heinrich Langes jüngerem Bruder Max sowie Luise Cahn und deren Tochter. Am 1. Oktober 1942 nahm die Gestapo der Familie alle Besitztümer weg. Zwei Monate später wurde Max Lange nach Auschwitz deportiert. Am 9. Dezember 1942 kamen die Nazis noch einmal in die Lohengrinstraße, um auch die restliche Familie zu holen. Der kleine Denny war da erst wenige Wochen alt.

 

Es wird vermutet, dass Heinrich Lange wegen seiner Erblindung unter den 898 Menschen war, die unmittelbar nach der Ankunft des 24. Osttransports in die Gaskammern kamen. Auch seine Frau, seine Kinder und sein Bruder wurden in Auschwitz ermordet. Ihre Todesdaten sind nicht bekannt.

 

Auf einem Stück Wiese an der Lohengrinstraße 2 verlegte der Künstler Gunter Demnig am 22. Mai 2008 Erinnerungssteine für die sechs ausgelöschten Leben. „Wir wollen an den Stolpersteinen eine Rose niedergelegen und etwas über die Geschichte der Menschen und Familien erfahren“, sagt Gemeindepädagogin Barbara Jungnickel. Von Mahlsdorf-Nord geht der Spaziergang weiter nach Kaulsdorf in die Hannsdorfer Straße 8, wo einst Hedwig Mentzen, Emil und Emilie Roth lebten. Zuletzt wird der Gedenkort für Eva Wolff in der Nentwigstraße 10 besucht.

 

Zu einem weiteren Gedenkspaziergang am 9. November lädt der Linken-Abgeordnete Kristian Ronneburg ein. Treffpunkt ist um 16 Uhr vor dem Gelände des ehemaligen Anwesens der Familie Guthmann (Lemkestraße 156), wo sich heute der Mahlsdorfer Friedhof befindet.

 

Die Reichspogromnacht markiert den Beginn der offenen, systematischen Judenverfolgung – den Anfang des Holocaust. Überall im Land brannten Synagogen, wurden jüdische Geschäfte geplündert, Wohnungen verwüstet, Friedhöfe geschändet, Menschen misshandelt, verhaftet und getötet. Die Deutschen taten sich jahrzehntelang schwer, überhaupt an die schlimmen Ereignisse zu erinnern. Am 10. November 1978, also erst 40 Jahre nach den Taten, hielt Helmut Schmidt (SPD) als erster Bundeskanzler öffentlich eine Gedenkrede. Er nannte darin den 9. November 1938 „eine Station auf dem Wege in die Hölle“.

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