In der Hönower Straße teilen sich Autos und Tram einen viel zu engen Straßenraum. Das hat Staus im Berufsverkehr, brenzlige Situationen und auch Unfälle zur Folge, vor allem aber verhindert es einen 10-Minuten-Takt der Straßenbahn. Deswegen sollen motorisierter Individualverkehr und ÖPNV voneinander getrennt werden. Für die neue Autotrasse entlang der Mahlsdorfer Oberschule hat bereits das Genehmigungsverfahren begonnen, für den zweigleisigen Straßenbahnausbau in der Hönower Straße ist das zweite Quartal 2024 avisiert. Wenn es denn überhaupt dazu kommt, denn CDU und SPD wollen die Planungen der Senatsverkehrsverwaltung stoppen und einen Variantenwechsel erwirken. Als erster Schritt wurde ein entsprechender Antrag ins Bezirksparlament eingebracht. Beide Parteien sprechen von einem „Signal der Vernunft, das die Weichen stellt, um den Ortskern Mahlsdorf nachhaltig und für die kommenden 50 bis 100 Jahre verkehrlich sinnvoll zu gestalten.“ Kritik kommt von der Opposition.
„Dem Bezirksamt wird empfohlen, die Verkehrslösung Mahlsdorf so umzusetzen, dass die Straßenbahn durch die Straße An der Schule und der motorisierte Individualverkehr durch die Hönower Straße geführt wird“, heißt es in dem Antrag, den die beiden verkehrspolitischen Sprecher ihrer Fraktionen, Benjamin Raschke (CDU) und Eike Arnold (SPD), gemeinsam verfasst haben. An der Vorzugsvariante der ehemals Grünen Verkehrsverwaltung im Vorgängersenat wird bemängelt, dass sie 16.000 Autos an der ISS Mahlsdorf vorbeiführe – mit allem was dazu gehört hinsichtlich Schulwegsicherheit, Lärm und Abgasen – und dass sie gegen den Willen der Anwohner durchgedrückt werde. Zudem sind auf der neuen Kfz-Trasse bis zu sieben neue Ampelanlagen geplant – da sei Schleichverkehr durch die Nebenstraßen vorprogrammiert.
BVV-Antrag als „erster Meilenstein“
„Unser Antrag ist der erste Meilenstein auf dem neuen Weg, den wir jetzt gemeinsam gehen“, sagt Benjamin Raschke. Im „engen Schulterschluss“ wolle man auf Bezirks- und Landesebene eine Lösung herbeiführen. Dieses Vorgehen hatten beide Parteien bereits im November auf einer Informationsveranstaltung in der ISS Mahlsdorf angekündigt. Gastgeber waren der CDU-Bundestagsabgeordnete Mario Czaja, Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU), der verkehrspolitische Sprecher der Berliner CDU-Fraktion Johannes Kraft und der SPD-Abgeordnete Jan Lehmann.
Intensive Beratungen in der Koalition
„Wenn gewollt, kann man jederzeit ein laufendes Planfeststellungsverfahren anhalten“, ließ Johannes Kraft die Bürgerinnen und Bürger in der vollbesetzten Aula an dem Abend wissen. Dafür gebe es zwei Möglichkeiten: Entweder die Senatsverkehrsverwaltung halte das Verfahren selbst an oder werde vom Parlament per Antrag mit dem Planungsstopp beauftragt. Die Beratungen dazu liefen auf Hochtouren. „Wir sind der Auffassung, dass jetzt noch der richtige Zeitpunkt ist, die Dinge vernünftig zu machen“, erklärte Mario Czaja, auch weil die BVG mit dem Start des Genehmigungsverfahrens für die Straßenbahn mindestens noch bis zum zweiten Quartal 2024 brauche.
Den Zeitverzug durch die Umplanungen bezifferten Katharina Günther-Wünsch und Johannes Kraft auf ein halbes bis Dreivierteljahr
Das sagt die Opposition
Kritiker des Variantenwechsels sprechen hingegen von erheblichen Kostensteigerungen und Zeitverlusten. „Sechs bis neun Monate? Das sind für mich Märchen, die man erzählt, um bei den Leuten Wohlwollen zu erlangen“, meint der Linken-Abgeordnete Kristian Ronneburg. Er verweist auf die seit Jahren laufenden Planungsrunden zwischen BVG, Straßen- und Grünflächenamt und der Senatsverkehrsverwaltung. Dort mussten in der Vergangenheit etliche Einzelfragen geklärt werden, ehe überhaupt das Genehmigungsverfahren gestartet werden konnte. „Das ist alles hochkomplex. Wenn du auf ein Problem stößt, tun sich zwei, drei weitere auf.“ Eine Neuplanung wäre eine „völlige Verschwendung“ von finanziellen und personellen Mitteln. „Auch rechtlich begibt man sich auf sehr dünnes Eis“, denkt Ronneburg. Schließlich gebe es fachliche Argumente für die Vorzugsvariante.
Auch der Grünen-Abgeordnete Stefan Ziller plädiert dafür, „die weit fortgeschrittenen Planungen fortzusetzen und politische Verzögerungen sein zu lassen.“ Bislang habe die nun zuständige CDU-Senatorin Manja Schreiner bei Befragungen im Mobilitätsausschuss an der Fortführung auch nie Zweifel aufkommen lassen, berichtet Ziller.
Für die Senatsvariante spricht unter anderem, dass die Straßenbahn auf der Hönower Straße laut BVG eine Minute schneller unterwegs ist und die gerade Trassenführung weniger wartungsintensiv wäre. Außerdem entstünden in der Hönower Straße bessere Querungsmöglichkeiten für Fußgänger, endlich Radwege und die Tram würde als wichtiges öffentliches Verkehrsmittel nicht an den Rand gedrängt werden.
Lieber gut als schnell?
SPD-Politiker Jan Lehmann findet die Tram in der Straße An der Schule hingegen gut aufgehoben. „Mit dieser Variante besteht auch die Möglichkeit, eine gute Radverbindung von Köpenick über die B1 und an den Schulen entlang bis zum S-Bahnhof Mahlsdorf zu etablieren“, erklärt er.
Benjamin Raschke entgegnet den Stimmen aus der Opposition: „Meine Sorge ist, dass persönliche Abneigungen oder politische Farbenspiele dazu führen, dass wir den Ortskern Mahlsdorf für die nächsten 50 Jahre verhunzen, nur weil es irgendwie schnell gehen soll.“ Die Kritik aber überrasche ihn nicht. „Sie kommt häufig von all jenen, die mit ihrer Politik in den vergangenen Jahren versäumt haben, die Stimmen der Mahlsdorfer ernst zu nehmen.“
Wenn es gelänge, die BVG- und Straßenplanung besser aufeinander abzustimmen, könnten auch Synergien geschaffen werden, ist Raschke überzeugt. Ein Beispiel: Anders als aktuell vorgesehen, müsste das Teilstück entlang der Oberschule zuerst angegangen werden. Wenn die Wasserbetriebe für den längst überfälligen Austausch der 100 Jahre alten Trink- und Abwasserleitungen die Hönower Straße aufreißen, könnte in der Straße An der Schule der Verkehr temporär langgeführt werden. Außerdem regt er an, die neue Endhaltestelle unter der Brücke am S-Bahnhof Mahlsdorf als Maßnahme vorzuziehen, um die Umsteigesituation zu verbessern.
Der Antrag von CDU und SPD wird am heutigen Donnerstagabend im BVV-Ausschuss für Mobilität behandelt und könnte bereits im Januar im Bezirksparlament zur Abstimmung stehen.