Am 25. Januar wurde unser Mahlsdorf exakt 675 Jahre alt. Seitdem nimmt „Mahlsdorf LIVE” dieses Jubiläum immer wieder zum Anlass, über historische Ereignisse oder geschichtlich bedeutende Vorgänge aus unserem Ortsteil zu berichten (siehe Links am Ende des Artikel). Dazu konnten wir die Historikerin Dr. Christa Hübner, welche als stellvertretende Vorsitzende des Heimatvereins wirkt und sich seit mehr als 20 Jahren mit der Geschichte des Bezirks Marzahn-Hellersdorf beschäftigt, gewinnen. Hier ihr aktueller Text, als sich Mahlsdorf vom Dorf zum Vorort entwickelte.
von Dr. Christa Hübner
„Wie lange noch wird es dauern, dann hat Mahlsdorf sein Ackerbürgerkleid gänzlich abgestreift und trägt das Gewand der Vororte unserer Haupt- und Residenzstadt Berlin.“
Als 1905 der Lehrer Erich Schmalz diesen Satz zu Papier brachte, war die von ihm mit knappen Worten beschriebene Entwicklung Mahlsdorfs von einer ländlichen zu einer vorstädtischen Gemeinde schon längst im Gange.
Fotos: Bilder aus der Lemkestraße und der Lindenstraße (heutige Linderhofstraße) / Bezirksmuseum Marzahn-Hellersdorf
Es war vor allem die Eröffnung des Eisenbahnhaltepunktes 1895, die einen Bevölkerungschub auslöste. Das war auch in Kaulsdorf und Biesdorf, die ihre Bahnhöfe schon früher erhalten hatten, nicht anders gewesen. Doch in Mahlsdorf verlief die Ansiedlung Tausender Menschen noch deutlich dynamischer als in diesen beiden Orten. Allein in den zehn Jahren zwischen 1895 und 1905 wuchs die Zahl der Mahlsdorfer Einwohner auf mehr als das Zweieinhalbfache. Bis 1933 war die Bevölkerungszahl gegenüber 1895 von 850 auf 16.613, also auf das fast Zwanzigfache, angestiegen.
Für die Wohnbedürfnisse der neu Zugezogenen entstanden vorstädtische Straßen und große Siedlungsgebiete, wozu ehemals landwirtschaftlich genutzte Flächen parzelliert wurden. Die ersten Häuser in Mahlsdorf-Mitte zwischen Bahnhof und der heutigen B1 wurden um 1895, also mit der Eröffnung des Bahnhaltepunkts, erbaut. In diese Zeit fällt auch der Anfang der Besiedlung von Mahlsdorf-Süd. In Mahlsdorf-Nord begann die Bebauung erst ab 1900. Bevor die Neusiedler feste Wohnhäuser errichteten, bauten sie sich nicht selten erst Lauben oder Sommerhäuschen, in denen sie Erholung suchten. Anders als in den westlichen Randgebieten Berlins waren es aber nicht die Reichen, sondern überwiegend Angehörige des Mittelstandes und auch Arbeiter, die in Mahlsdorf ansässig wurden. Und weil dem so war, erbauten sich viele auch kein eigenes Haus, sondern wohnten als Mieter in teils mehrstöckigen Gebäuden. Die Hönower Straße zeugt noch heute davon. Nur wenige größere Villen entstanden, vor allem in Mahlsdorf-Süd. Viele der Siedler lebten zuvor in Berlin, dessen Teil Mahlsdorf seit 1920 ist, nicht wenige zogen aus anderen Orten des Deutschen Reiches zu, einige kamen auch aus dem Ausland.Eine große Erleichterung für die Neu-Mahlsdorfer brachte die 1907 eingerichtete Straßenbahnlinie zwischen den Bahnhöfen Köpenick und Mahlsdorf, im Volksmund damals „Wüstenbahn“ genannt. Das betraf vor allem die nach Mahlsdorf-Süd Zugezogenen, für die der Bahnhof Mahlsdorf so weit entfernt war, dass sie statt dorthin zum gut zwei Kilometer entfernten Bahnhof Hirschgarten liefen. Die Straßenbahnstrecke war bei ihrer Eröffnung vor mehr als 110 Jahren eingleisig – und ist es noch immer. Bisherige Bestrebungen, sie zweigleisig auszubauen, sind gescheitert. Ob der derzeitige neue Versuch von Erfolg gekrönt ist, wird sich zeigen.
Mit dem Zuzug so vieler Menschen und dem Entstehen der Siedlungsgebiete änderte sich die Zusammensetzung der Einwohnerschaft Mahlsdorfs von Grund auf. Noch Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts hatten Bauern mit unterschiedlich großem Landbesitz dominiert, es gab einen Müller und einen Schmied sowie ein paar sonstige Vertreter des traditionellen Dorfhandwerks wie Stellmacher, Schuhmacher, Fleischer oder Schneider. Einige Jahrzehnte später lebten vorrangig Arbeiter, Handwerker und kleine Industrielle, Händler aller Art, Beamte, überhaupt Angehörige der verschiedensten Berufe in Mahlsdorf. Auch erste Künstler waren ansässig geworden, vor allem ab den 1920er-Jahren.Einer der frühen Neu-Mahlsdorfer war der Hotelier Karl Kohlis, der 1857 in Artern in der Nähe des Kyffhäusers geboren wurde. Er zog um 1900 nach Mahlsdorf-Süd und verstarb dort 1910, erst 53-jährig. Kohlis engagierte sich sehr für die Belange seines Ortsteiles und übernahm 1902 den Vorsitz des einige Jahre zuvor gegründeten örtlichen Haus- und Grundbesitzervereins. Schon zu Lebzeiten wurde er 1907 mit der Benennung einer Straße geehrt. Karl Kohlis trat auch als Dichter hervor, und so rühmte er seinen neuen Wohnort mit den Worten: „Sein Dichterblick, den Schönheit ölt, / Des „Ostens Perle“ hat erwählt, / Zum „Villensitz“, der hochfeudal: / das reizgeschmückte Königstal. / Ein Paradies im Waldeskranz,/ Bezaubernd schön im Sommerglanz.“
Wir haben noch eine Bitte: Viele von Euch (bzw. Eure Familien) leben seit Jahrzehnten und sogar Jahrhunderten in Mahlsdorf. Sollten sich also alte Fotos, Karten oder Schriftstücke zu Mahlsdorf in Eurem Besitz befinden, wäre es toll, wenn wir diese veröffentlichen könnten. Schreibt uns diesbezüglich gern an hier per PN, unter MahlsdorfLive@gmail.com oder unter 01763072848.