21 Jahre nach dem Inschrift-Streit: Neuer Text für Charlottes Gedenkstein

© Detlef Pusch

„Jedes Mal, wenn ich an dem Stein vorbeigekommen bin, hat es wehgetan“, sagt Monika Schulz-Pusch. Nun aber schmerzt nichts mehr: Die Gedenktafel für Charlotte von Mahlsdorf (1928–2002) vor dem Gutshaus hat eine neue Inschrift erhalten – 21 Jahre nach der Enthüllung. Der Text war von Anfang an umstritten. Die neuen Zeilen, davon ist die Leiterin des Gründerzeitmuseums überzeugt, wären eher in Charlottes Sinne gewesen.

 

Als am 24. August 2003 der hübsche, mit Blumenranken und Putten geschmückte Gedenkstein aus rotem Sandstein feierlich eingeweiht wurde, war die Stimmung bei etlichen Menschen, denen Charlotte von Mahlsdorf am Herzen lag, etwas getrübt. Ihre Familie hatte durchgesetzt, dass auf der Tafel die Worte „Lothar Berfelde | 1928–2002 | genannt Charlotte von Mahlsdorf | dem Museumsgründer zur Erinnerung“ standen. Bruder Hanfried, der mit Charlottes Vorliebe für Schürzen und Damenkleider, ihrem unkonventionellen Lebensstil, nie viel hatte anfangen können und großen Wert auf die Nennung ihres bürgerlichen Namens legte, soll die Inschrift zur Bedingung für die Leihgabe der Museumsstücke gemacht haben. Der Förderverein musste die Kröte schlucken. „Sonst hätten wir die Sammlung aus Schweden nicht erhalten“, sagt Monika Schulz-Pusch.

 

Der Museumsgründerin zur Erinnerung

Heute, gut zwei Jahrzehnte später, sind die Möbel und Alltagsgegenstände aus Schweden längst in den Besitz des Vereins übergegangen. 2011 konnte er sie mithilfe von Lottomitteln ankaufen. Weil auch der inzwischen verstorbene Hanfried Berfelde keine Einwände mehr erheben kann, war die Zeit für einen neuen Text auf der Erinnerungstafel gekommen. „Charlotte von Mahlsdorf | 1928–2002 | Der Museumsgründerin zur Erinnerung“ ist dort nun zu lesen. Eine alleinige Entscheidung des Fördervereins sei der Wortlaut nicht gewesen, verrät Monika Schulz-Pusch. Auch die Besucherinnen und Besucher durften mitreden. „Ich habe bei den Führungen eine Umfrage gemacht.“

 

Umgesetzt wurde die Neugestaltung von der Firma Grana Steinmetzhütte mit ihrer Mahlsdorfer Filiale (Hönower Straße 57). Die oberste Schicht des Sandsteins musste dafür abgetragen werden. Eigentlich wollte der Förderverein Gutshaus Mahlsdorf mit der Umbeschriftung warten, bis auch Charlottes Grab auf dem Waldfriedhof an der Rahnsdorfer Straße ein Berliner Ehrengrab ist. „Wir haben vor zwei Jahren den Antrag gestellt“, sagt die Museumsleiterin. Weil sich das Verfahren aber so lange hinzieht, wurden nun dank Spendengeldern Nägel mit Köpfen gemacht.

In ihrer Autobiografie „Ich bin meine eigene Frau“ bezeichnete sich Charlotte von Mahlsdorf mal als Transvestit, mal als Frau, Mädchen oder weibliches Wesen. Die Familie bestand trotzdem darauf, dass auf dem Gedenkstein das biologische Geschlecht der stadtbekannten queeren Ikone deutlich zum Ausdruck kam.

Forderung nach einem Ehrengrab

Mit Ehrengrabstätten werden Verstorbene gewürdigt, die zu Lebzeiten hervorragende Leistungen mit engem Berlin-Bezug erbracht oder sich durch ihr überragendes Lebenswerk um die Stadt verdient gemacht haben. Dass dies auf Charlotte von Mahlsdorf zutrifft, darüber herrscht im Bezirk große Einigkeit. 1958 hatte sie das baufällige Gutshaus „auf eigene Gefahr“ bezogen und eigenhändig wieder aufgebaut, um daraus ein Privatmuseum für Alltagsgegenstände der Gründerzeit zu machen. So konnte das heute unter Denkmalschutz stehende Gebäude vor der Abrissbirne gerettet werden. Am 1. August 1960 war Eröffnung. Der Ort wurde nicht nur ein touristischer Geheimtipp, sondern auch Treffpunkt der homosexuellen Community. 

 

Seit ihrer Emigration im Jahr 1997 kümmert sich der Förderverein um den Schatz der Bundesverdienstkreuzträgerin. Heute ist das Museum im Gutshaus Mahlsdorf mit Europas größter Gründerzeitsammlung aus der Berliner Museumslandschaft nicht mehr wegzudenken. Die Anerkennung von Charlottes Ruhestätte als Ehrengrabstätte wird auch von der Bezirksverordnetenversammlung unterstützt. Zuletzt wurde in der Juli-Sitzung der BVV ein entsprechender Antrag beschlossen.

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